Zukunftsperspektive Dorf in Mittelhessen

Klein-Eichen und Lardenbach sind zwei Dörfer in unmittelbarer Nachbarschaft am Westhang des Vogelsberges. Die historischen Ortskerne liegen nur wenige hundert Meter auseinander und auf den ersten Blick ist nicht zu erkennen, dass es sich tatsächlich um zwei eigenständige Dörfer, mit je einer Kirche, einem Ortsbeirat aber einer gemeinsamen Feuerwehr handelt. Beide Dörfer besitzen heute noch weitgehend dörflichen Charakter und verfügen über eine reizvolle und erneuerte Fachwerkarchitektur.

Auch wenn es sich um zwei eigenständige Dörfer handelt, lohnt sich doch der gemeinsame Blick, gerade aufgrund der räumlichen Nähe und der vielfältigen Verflechtungen beider Dörfer. Schon beim ersten Blick zeigen sich Chancen und Probleme gleichermaßen, eine zumindest mittelfristig gesicherte "Zukunft" scheint jedoch durchaus zu bestehen.

Klein-Eichen hat insgesamt 230 Einwohner mit gemeldetem Haupt- oder Nebenwohnsitz. Lardenbach ist mit 380 Einwohnern etwas größer und zusammen kommen beide Dörfer auf eine Einwohnerzahl von etwa 610 Einwohnern. Die Bevölkerungsentwicklung ist in den letzten Jahren etwas zurück gegangen. Die weitgehende Stabilität wird erstens durch die Geburtenzahlen der Einwohner und zweitens, auch durch Zuzüge von außerhalb und wenige Fortzüge erreicht. Die demographische Situation weist somit keine auffällige Tendenzen und Besonderheiten auf.

Beide Dörfer waren in der Vergangenheit stark landwirtschaftlich geprägt. Heute gibt es noch einen hauptberuflichen Landwirt, welcher nach der Übernahme des Betriebes durch seinen Sohn und aufgrund hoher Investitionen in moderne Technologie und der Spezialisierung auf die Bio-Wirtschaft jedoch langfristig konkurrenzfähig bleiben kann. Mit dem Wandel in der Erwerbstätigkeit erfolgte die verstärkte Ausrichtung auf Beschäftigungsverhältnisse in Grünberg, Laubach, aber auch Gießen und Frankfurt/Main. Die Arbeitslosenquote ist in beiden Dörfern gering und stellt kein nennenswertes Problem dar.

Klein-Eichen und Lardenbach verfügen über viele bausubstanziell gut erhaltene Fachwerkhäuser, auch aufgrund der Maßnahmen im Rahmen der Dorferneuerung. Viele Gehöfte besitzen noch große Innenhöfe und teilweise alte "Hofbäume". Die historisch gewachsene Struktur ist noch weitgehend erhalten. Neben den historischen Fachwerkhäusern in den Ortskernen, gibt es Wohnhäuser in der typischen Nachkriegsarchitektur und zudem ein Neubaugebiet am Ortsrand.

Die Bebauung ist aufgelockert, ohne dass gleichzeitig größere Baulücken bestehen würden. Besonders auffällig ist neben den vielen Grünflächen im "Grenzbereich" des Larbaches, die durchgehende Begrünung gerade in den historischen Ortskernen. Herausragendes Bauwerk in Lardenbach, ist die 1657 erbaute Fachwerkkirche.

Die Erfassung der Gebäudeleerstände erfolgte im Dezember 2006. In Klein-Eichen und Lardenbach gibt es insgesamt nur sieben tatsächliche Leerstände. In 17 weiteren Fällen sind die Gebäude von ein oder mehreren Personen in höherem Alter bewohnt oder es erscheint eine Nachfolgenutzung als nicht gesichert. Hierbei ist auffällig, dass die eventuell zu erwartenden Leerstände gleichmäßig über die gesamten Dörfer verteilt sind und sich nicht ausschließlich in den historischen Ortskernen befinden. Auch und gerade die Neubaugebiete bleiben von eventuell künftig auftretenden Leerständen nicht verschont.

In Klein-Eichen und Lardenbach fand von 1999 bis Ende des Jahres 2007 ein Dorferneuerungsprogramm statt, in dessen Rahmen viele öffentliche und private Maßnahmen mit einem Finanzvolumen von über einer Million Euro verwirklicht wurden. Dies geschah unter reger Beteiligung der Bevölkerung und mit großem Engagement der ansässigen Vereine. Unter Federführung des beauftragten Architekten Klaus Grabowski und mit begleitender Unterstützung eines aus Bürgerinnen und Bürgern bestehenden Arbeitskreises "Dorferneuerung", wurde zunächst ein Rahmenplan erarbeitet, der als Grundlage für die langfristige Entwicklung der beiden historischen Ortskerne zu betrachten ist. Der Rahmenplan besteht aus zwei Teilen. Teil A enthält ein Verkehrskonzept, ein räumliches Konzept sowie ein Grün- und Freiflächenkonzept; Teil B beinhaltet schließlich das bauliche Konzept.

Aufgaben und Ziele des Dorferneuerungsprogramms waren etwa die Aufwertung und Verbesserung der innerörtlichen Fußwege, Neugestaltung des Platzes- und Straßenraumes als Treffpunkte und Aufenthaltsorte für die Bürger, Erhaltung und Gestaltung der Ortseingänge, Erhaltung und Umnutzung ehemals landwirtschaftlich genutzter Gebäude und mehr. Konkrete öffentliche Maßnahmen waren beispielsweise die Sanierung des Backhauses "Am Larbach", die Renovierung des Kindergartens, der Spielplätze und des Feuerwehrgerätehauses in Lardenbach, die Gestaltung der Dorfmitte Klein-Eichen, die Aufwertung des Dorfteiches mit seinem Umfeld.

Daneben gab es eine Vielzahl privater Sanierungsmaßnahmen, welche insgesamt darauf abzielten, die gewachsenen Strukturen aufzuwerten, die typische Fachwerkarchitektur zu erhalten und hervor zu heben, bis zu einer gemeinsamen Pflanzaktion der Bürgerinnen und Bürger.

Im Bereich von Einzelhandel und Dienstleistungen zeigen sich deutlich die typischen Probleme des ländlichen Raumes. Außer einer Metzgerei gibt es in beiden Dörfern keine Lebensmittelgeschäfte mehr. Das Fehlen einer Bäckerei wird jedoch durch insgesamt sechs Bäckereien von außerhalb ausgeglichen, welche mit Verkaufswagen an jeweils unterschiedlichen Tagen und Standorten die Versorgung ermöglichen. Im gastronomischen Bereich hat lediglich Lardenbach ein Gasthaus vorzuweisen. Eine zweite Wirtschaft, jedoch ohne offizielle Schankerlaubnis, gab es bis zuletzt ebenfalls. Die Kneipe des Sportvereinsheimes kann außerdem hinzugezählt werden.

Die nächste Postagentur befindet sich in Grünberg, zumindest ist ein Postkasten vorhanden. In Lardenbach gab es eine Niederlassung der Volksbank, die schon mit stark eingeschränkten Öffnungszeiten aufwartete und dann ganz geschlossen wurde. Die ärztliche Grundversorgung erfolgt über Grünberg, Mücke und Laubach, es gibt in beiden Ortsteilen keinen Allgemeinmediziner und auch keine Apotheke. Die Verfügbarkeit von Breitbandnetzen ist seit 2015 vorhanden. Gleiches gilt für den Mobilfunkbereich.

Dem Mangel im Einzelhandels- und Diensleistungsbereich, steht jedoch ein reges Dorfgeschehen gegenüber. Hervorzuheben ist hier beispielsweise der "Adventstreff", bei dem Lardenbach als Initiator fungiert und in der Vorweihnachtszeit Verkaufsstände aufgebaut hat, deren Erlös den öffentlichen Einrichtungen zugute kommt. Auch das "Haxenfest" war stets gut besucht und bei den Einwohnern beider Dörfer beliebt. In Klein-Eichen ist das jährliche "Grenzgrabenfest" mittlerweilen von dem neuen Verein "K-E V" übernommen worden. Hinzu kommen außerdem die Vereinsfeiern der zahlreichen ansässigen Vereine.

In Klein-Eichen und Lardenbach gibt es insgesamt drei Bushaltestellen. Diese werden jedoch nur zu den Stoßzeiten (Schulzeiten) angefahren. Unter der Woche fahren über den Tag verteilt, planmäßig insgesamt 14 Mal Sammeltaxen in Richtung Grünberg. Fünf Taxen fahren auch samstags, wobei sonntags keine Möglichkeit besteht, mit einem nach Fahrplan eingesetzten Sammeltaxi zu fahren. Eine reguläre Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Gießen ist mit einer Fahrzeit von etwa einer Stunde verbunden.

Als Ergänzung können nach Bedarf, eine Stunde vor der gewünschten Fahrt, weitere Sammeltaxen angefordert werden. Der Grünberger Bahnhof ist auf diese Weise schon nach weniger als zehn Minuten erreichbar. In Grünberg und Mücke bestehen Bahnhöfe und somit die Möglichkeit auf die Bahn Richtung Gießen oder Fulda umzusteigen.

Alles in allem ist die Anbindung in die nächst größeren Städte zwar gewährleistet und für die geringe Einwohnerzahl auch angemessen, vollständige und unabhängige Mobilität ist jedoch nur mit einem PKW oder motorisierten Zweirad möglich. Mit dem Fahrrad ist es schwer in die nächste Stadt zu kommen, nicht nur aufgrund der Entfernung, sondern vor allem mangels Fahrradwegen und der topographischen Verhältnisse.

Die Bürgerbeteiligung ist in Klein-Eichen und Lardenbach relativ gut. Die Wortführer sind zwar meist die gleichen Bürgerinnen und Bürger, aber im Allgemeinen werden Initiativen gut angenommen. Aus den beiden Orten heraus wurden sogar zwei Bildbände über Klein-Eichen und Lardenbach erstellt, was nicht nur auf eine gute Initiative sondern auch auf ein hohes Identifikationsniveau mit dem eigenen Wohnort schließen läßt.

Insgesamt gibt etwa zehn aktive und teils schon lange bestehende Vereine. Der freiwillige Feuerwehrverein, wobei zuerst die Einsatzgruppen zusammengelegt wurden, Sportverein (Fußball, Tischtennis etc.), Obstbau- und Kelterverein, Gesangverein für Alt und Jung usw. Das Vereinsleben ist überdurchschnittlich lebendig und integriert weite Teile der Bewohner beider Dörfer.

In beiden Orten gibt es eine kleine Kirche, wobei der Gottesdienst abwechselnd in einer der beiden Kirchen stattfindet. Die Gottesdienste sind nach Aussagen von Karl-Ernst Lind auch gut besucht.

In Lardenbach gibt es einen Kindergarten mit etwa 50 Plätzen. Dieser ist fast vollständig ausgelastet, da Kinder aus drei umliegenden Gemeinden hinzukommen. Eine Schule gibt es nicht, sie ist jedoch in Grünberg mit den Schulbus-Sammeltaxen gut und schnell zu erreichen.
Für hilsbedürftige ältere Menschen gibt es vor Ort keine Betreuung. Senioren- und Altenwohnheime gibt es in Grünberg, Laubach und Rabenau. Ein mobiler Pflegedienst kann aber in Anspruch genommen werden.

Von zentraler Bedeutung für das Dorfleben ist das 1991 erbaute Dorfgemeinschaftshaus. Dieses steht verschiedenen Anlässen zur Verfügung, etwa private Feiern, VHS-Kurse, Dorftreffen etc. und hat im Keller einen Jugendtreff, zu welchem die Jugendlichen einen eigenen Schlüssel besitzen und diesen zeitunabhängig nutzen können. Das Dorfgemeinschaftshaus wird häufig und gerne genutzt.

In Ergänzung zu den Kommunikationsräumen stehen auch die Erholungsräume. In der Umgebung gibt es weitläufige Felder, Wanderwege und Reitpfade zur Erholung.
Innerhalb der Dörfer wurde im Rahmen der Dorferneuerung versucht, durch eine attraktivere Platzgestaltung die Qualitäten des öffentlichen Raumes, auch als Kommunikationsraum zu stärken. Dies ist, wie im Falle Lardenbachs, jedoch erst im zweiten Anlauf gelungen. Der zentrale Platz wurde in Eigenleistung mit zusätzlichen Bauten verbessert. In Klein-Eichen sind zwei zentrale Plätze geschaffen worden, die gleich angenommen wurden.

Es gibt drei Spielplätze in beiden Orten, wobei einer in den Kindergarten integriert ist. Allerdings haben die Kinder viele Möglichkeiten sich in den umliegenden Feldern und Wäldern selbst Spielplätze zu erschaffen. Die Jugendlichen haben ihren Treffpunkt, wie bereits erwähnt, im Keller des Dorfgemeinschaftshauses und nutzen diesen, ihnen zur Verfügung gstellten Raum intensiv.

In Lardenbach gibt es einen weiteren Platz in unmittelbarer Nähe zum Dorfgemeinschaftshaus, an dem sich die Dorfbewohner treffen. Dort sind Fußballplatz und Vereinsheim, Beachvolleyballfeld und ein Grillplatz vorhanden. Für Feierlichkeiten des Sportvereins wird zudem das Dorfgemeinschaftshaus genutzt.
Die vergleichsweise gute Ausgangssituation und damit verbundene Zukunftsperspektive von Klein-Eichen und Lardenbach ergibt sich aus dem Zusammenspiel vieler Einzelfaktoren.

Das attraktive und Identität stiftende Ortsbild mit viel gut erhaltender historischer Bausubstanz, die landschaftlich reizvolle Lage und eine zwar mäßige, aber ausreichende Anbindung an die nächstgelegenen Mittel- und Oberzentren, sichern die Einwohnerzahlen. Das Thema "Demographischer Wandel" ist in den beiden Dörfern nicht das übergeordnete Problem.

Das Vorhandensein des Kindergartens, mehrerer Spielplätze und des Jugendtreffs, gestalten das Wohnen in den beiden Dörfern für jüngere Familien mit Kindern zusätzlich attraktiv.

Das Bestehen eines regen Vereinslebens und die Inanspruchnahme der Institution "Dorfgemeinschaftshaus", sprechen für eine intakte soziale Struktur. Man kennt sich und man trifft sich. Ausschlaggebend für die hohe Identifikation der Einwohner mit ihrem Dorf, ist mit Sicherheit auch die Lage zweier Dörfer in unmittelbarer Nachbarschaft zueinander. Auch wenn der Austausch funktioniert und das Handeln zumeist mit dem jeweils anderen Dorf abgestimmt ist, führt dieser Umstand gerade bei den Alteingesessenen, zu der Herausbildung einer Identität, welche zu großen Teilen auf der "Unterscheidung" zum Nachbardorf basiert.

 
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